Letztes Jahr hatte ich das Glück, die Abegg Stiftung in Riggisberg, Schweiz, zu besuchen, als ich an der CIETA-Konferenz in Zürich teilnahm. Ihre textile Dauerausstellung ist jederzeit einen Besuch wert. Wir durften auch das Konservierungslabor besuchen. Das war ein wahrer Genuss! Und ich konnte ihre Publikationen durchstöbern. Meiner Meinung nach sind sie der Goldstandard, wenn es um Textilpublikationen geht. Aber das hat seinen Preis. Und dass die in der Schweiz sind, hilft auch nicht. In der Lage zu sein, zu sehen, bevor man kauft, war ein echter Bonus. Eines der Bücher, mit denen ich schon länger geliebäugelt hatte, war: "Liturgische Gewänder des Mittelalters aus St. Nikolai in Stralsund" von Juliane von Fircks, erschienen 2008. Lasst uns es erkunden! Die Website-Beschreibung des Inhalts des Buches erwähnt keine Stickerei. Es stellt sich heraus, dass die meisten liturgischen Gewänder aus Stralsund keine Stickerei haben (einige schon, haben Sie Geduld). Stattdessen werden sie aus verschiedenen Kombinationen exotischer Seide hergestellt. Viele sind mit Goldfäden aus Lederstreifen (Riemchengold) gewebt. Die Designs sind erstaunlich und sehr exotisch. Sie entstanden zwischen 1300 und der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ihre Ursprünge liegen in Zentralasien, Persien, Spanien, Italien und Norddeutschland. Die in Zentralasien hergestellte Seide war als panni tartarici (tatarische Tücher) bekannt und in Westeuropa sehr beliebt. Die Gewänder, die mit ihnen gemacht wurden, sehen ein wenig aus wie eine crazy Quilt :). Sehr farbenfroh und luxuriös. Das Buch beschreibt nicht nur diese Seide und ihre Geschichte und Herstellung sehr detailliert, auch der Schnitt der Gewänder wird ausführlich erläutert (mit Hilfe von Birgit Krenz). Die Seide wurde importiert und dann vor Ort (Norddeutschland) zugeschnitten. Da die Tatarentücher so teuer waren, ist es faszinierend zu lesen, wie die Schneider jeden kleinen Fetzen optimal nutzten. Wie gesagt, die meisten Gewänder aus Stralsund sind nicht bestickt. Von den 39 Katalogeinträgen sind nur drei Kaseln, ein Bursa, ein Substratorium, ein Kranz und eine mögliche Hutkrempe bestickt. Alle datieren zwischen 1400 und 1500 n. Chr. Eine der Kaseln zeigt die bekannte Krippengeschichte nach der heiligen Birgittita. Eine weitere Kasel zeigt ein Blumen-/Laubmuster, das teilweise aus Lederpolstern besteht, auf denen Süßwasserperlen aufgenäht wurden. Keine Technik, die wir oft sehen. Die dritte Kasel hat einen wunderschön wiedergegebenen Christus am Kreuz. Die Seidenstickerei in feinen Spaltstichen ist atemberaubend. Das Substratorium zeigt im Kreuzstich gestickte Schriftzüge. Anders als heute war der Kreuzstich im Mittelalter eher selten.
Aber meine Lieblingsstickerei ist der Engel, der auf der Rückseite der Bursa Laute spielt. Der Stickgrund des Engels und der Wolken besteht aus Leinen. Die fertigen Teile wurden auf roten Wollköper appliziert. Die dicke weiße Kontur der Wolken deutet darauf hin, dass diese einst mit Süßwasserperlen eingefasst waren. Laub und kleine weiße Blüten werden direkt auf den roten Wollköper genäht, um den Hintergrund zu bilden. Der Engel trägt eine Tunika, die in doppelten Reihen aus Membrangold gestickt ist (jetzt matt und silbrig im Aussehen). Die Reihen verlaufen vertikal und sind in einem einfachen bricking Muster gehalten. Durch geschicktes Starten und Stoppen von Fäden und durch Hinzufügen einiger dunklerer Linien für die Falten wird die Definition der verschiedenen Teile des Kleidungsstücks erreicht. Wie immer enttäuscht auch dieses Buch der Abegg Stiftung nicht. Es hat viele schöne Bilder und Nahaufnahmen der verschiedenen Textilien. Die Kapitel erklären, wie der Schatz von St. Nicolai bis heute überlebt hat. Und wie schwierig es ist, erhaltene Stücke aus Kircheninventaren zu identifizieren. Jeder Katalogeintrag hat sehr aufwendige technische Details. Welche Fäden wurden verwendet und auf welchem Stoff (meist mit Fadenzahl). Derzeit ist das Museum in Stralsund wegen Sanierung geschlossen, so dass ich nicht weiß, ob (einige) dieser Stücke Teil der Dauerausstellung sind. Bevor ich Stickerin wurde, besuchte ich als Archäologin das Museum und analysierte Tierknochen die im Refektorium des Katharinenklosters gefunden wurden. Das war vor rund 20 Jahren ... Literatur Fircks, J. von, 2008. Liturgische Gewänder des Mittelalters aus St. Nikolai in Stralsund. Abegg-Stiftung, Riggisberg. Grimm, J.M., 2005. Keine Lust zum Geschirrspülen? Auswertung der spätmittelalterlichen Tierknochen und der botanischen Reste aus der Remternische des Katharinenklosters in Stralsund. In I. Ericsson & R. Atzbach eds. Depotfunde aus Gebäude in Zentraleuropa (=Bamberger Kolloquien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 1), Berlin, 173-180.
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